Damit Elektro-Lkw auf langer Strecke durchhalten, werden verschiedene Antriebstechnologien getestet, die den Akku unterstützen. Die Ergebnisse sind vielversprechend: Ein Blick auf den aktuellen Stand der Entwicklung.
Das erfahren Sie hier:
- Warum 2019 das Jahr des Elektro-Lkw ist
- Weshalb herkömmliche Lithium-Ionen-Akkus für E-Lkw nicht ausreichen
- Welche Alternativen es gibt
- Was für Möglichkeiten bereits getestet werden
Starthilfe vom Staat: Fördermittel sollen Entwicklung forcieren
2019 wird das Jahr, das den Elektro-Lkw den entscheidenden Schritt nach vorne
bringt - so plant es zumindest die Bundesregierung: Seit Anfang des Jahres sind die
elektrischen Laster von der Lkw-Maut befreit - als Anreiz für alle Unternehmen, den
Einsatz umweltbewusster Transportfahrzeuge zu verstärken. Und nicht nur das: Das
Bundesverkehrsministerium sponsert seit letztem Sommer jeden E-Lkw mit bis zu
40.000 Euro.
Schaut man auf die Entwicklung des Lkw-Verkehrs in den letzten Jahrzehnten, sieht
man überzeugende Argumente für die staatliche Förderung: Nach Angaben des
Bundesumweltamts hat sich der Straßengüterverkehr zwischen 1991 und 2016 um 89
Prozent erhöht. Das EU-Parlament hat beschlossen, dass die Hersteller die Abgase
bei neuen Lastwagen bis 2025 um 20 Prozent, bis 2030 sogar um 35 Prozent reduzieren
sollen. Dieses ambitionierte Ziel lässt sich aber nur erreichen, wenn lokal
emissionsfreie E-Lkw demnächst in großer Zahl auf unseren Straßen fahren.
Tatsächlich arbeiten Ingenieure und Unternehmen bereits seit längerem am
umweltbewussteren Lkw der Zukunft. Renommierte Hersteller haben 2018 auf der
Internationalen Automobil-Ausstellung für Nutzfahrzeuge Prototypen mit Elektromotor
vorgestellt. Auch an der Schnittstelle zur Forschung entstehen in der Zwischenzeit
praxistaugliche Modelle. Ende 2018 präsentierten die Forscher der "RWTH Aachen"
unter dem Projektnamen "LiVe 1" einen 7,5 Tonnen schweren Lastwagen, der auf dem
Konzept des "StreetScooters" basiert, mit dem bereits Pakete ausgeliefert werden.
Der Leicht-Lkw soll allerdings nur der Anfang sein. Auch bei den mittelschweren und
schweren Lkw-Modellen, die beispielsweise Supermärkte in den Städten beliefern,
sollen elektrisch angetriebene Lkw eingesetzt werden.
Hierfür schafft die Bundesregierung nicht nur Anreize, auch in der Umsetzung ist
sie aktiv: Seit letztem Oktober testen in ihrem Auftrag zehn verschiedene Handels-
und Logistikunternehmen ein Jahr lang einen vollelektrischen 25-Tonner. Zwischen
150 und 300 Kilometer legen diese Test-Lkw pro Tag zurück. Für die ganz großen
Aufgaben allerdings ist das noch zu wenig, denn bei vielen Speditionen stehen auch
Langstrecken mit über 1000 Kilometern auf dem Plan - beispielsweise, wenn große
Laster die bayerische Alpenmilch in einem Rutsch in den hohen Norden bringen. Für
die vollgepackten 40-Tonner ist die Kapazität der heutigen Akkus zu gering, um die
Tour ohne Ladepausen zu überstehen. Die dringlichste Frage lautet daher: Wie lässt
sich die Herausforderung der Energieversorgung der elektrischen Lkw auf der
Langstrecke lösen? Hier sind vier Szenarien denkbar:
Szenario 1: Mehr Akku-Power für elektrische Lkw
Die große Herausforderung bei der Entwicklung der schweren E-Trucks: Sie treiben die gängigen Lithium-Ionen-Akkus an ihre Grenzen. Ende 2018 präsentierten die Forscher der "RWTH Aachen" einen 7,5 Tonnen schweren Lastwagen, demnächst soll ein Entwurf für Fahrzeuge bis 18 Tonnen folgen. Je mehr Reichweite eine Batterie mitbringt, desto größer und schwerer wird sie allerdings. Ein Akku, der eine Strecke von 1000 Kilometern ohne Aufladen bewältigen kann, würde laut einer Studie allein mehr als 16 Tonnen wiegen - Gewicht, das wiederum bei der Ladung eingespart werden müsste. Die Hoffnungen der Hersteller ruhen daher auch auf einer Weiterentwicklung der Akkutechnologie. Aber es sieht so aus, als wäre es bis zum klassischen 40-Tonner noch ein weiter Weg, wenn man sich ausschließlich auf den Lithium-Ionen-Akku verlässt. Für den Antrieb der Laster braucht es alternative Ideen.
Szenario 2: Hybrider Antrieb mit Wasserstoff
Eine Fabrik für den "Nikola Tre" existiert noch nicht. Im April 2019 will man den ersten Prototyp vorstellen, 2020 sollen Testfahrten beginnen.
Eine vielversprechende Idee für einen alternativen Antrieb ist die Brennstoffzelle. Fahrzeuge mit Brennstoffzelle erzeugen elektrische Energie aus Wasserstoff und wandeln sie direkt in Bewegung um. An der "RWTH Aachen" entwickelt zurzeit ein Team von Ingenieuren einen 18-Tonner mit dieser Technologie. Wie leistungsfähig Fahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen sind, hat das US-amerikanische Start-up "Nikola Motor" bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. 2018 präsentierte das Unternehmen einen mit Wasserstoff angetriebenen Elektro-Lkw mit einer vielversprechenden Reichweite von rund 1600 Kilometern. Das Modell für den europäischen Markt namens "Nikola Tre" fällt nur geringfügig schwächer aus. Auch die Volkswagen-Tochter Scania testet seit Sommer 2018 drei Dreiachser mit Brennstoffzellen-Antrieb.
Szenario 3: Oberleitungen
Ein Lkw wie eine Straßenbahn: In Mittelschweden bei Gävle (gesprochen Jävle) läuft seit Sommer 2016 ein Test mit elektrischen Lkw für den Betrieb an Oberleitungen.
Ein weiterer Ansatz, um den Elektro-Lkw zum Langstreckenläufer zu machen, haben
sich findige Entwickler bei der Bahn abgeschaut: Damit der elektrische Laster auf
der Langstrecke ausreichend Strom bekommt, sollen einzelne Streckenabschnitte auf
der Autobahn mit einer Oberleitung zu E-Highways aufgerüstet werden. Die E-Lkw
können dann mittels Stromabnehmer während der Fahrt andocken, um Strom zu tanken
und die Batterie zu entlasten.
In Schweden, Deutschland und Italien laufen bereits Tests mit Oberleitungen auf
Autobahnen. Seit Juni 2016 beispielsweise auf einem zwei Kilometer langen Abschnitt
der Autobahn E16 vor der schwedischen Stadt Gävle. Dort sind mit einem
"Siemens"-Stromabnehmer ausgestattete Scania-Lastwagen unterwegs. Diese mit
Elektrizität betriebenen Lkw können die Emissionen fossiler Brennstoffe um 80 bis
90 Prozent reduzieren. Seit letztem November fahren auch die ersten Hybrid-Lkw in
Deutschland. Auf der ersten deutschen fünf Kilometer langen Teststrecke an der A5
zwischen Darmstadt und Frankfurt stehen etwa 230 Masten. Und auch auf der A1
zwischen Lübeck und Reinfeld soll die Elektrifizierung des Güterfernverkehrs
erprobt werden. Auch für die drei deutschen Teststrecken wird Scania 2019 Fahrzeuge
liefern. Mit der Option, während der Fahrt aufzuladen, werden die Akkus kleiner und
leichter, je länger der elektrifizierte Streckenanteil ist.
Szenario 4: Schiene im Boden
In Schweden laden Elektroautos während der Fahrt an Stromschienen, die unterhalb der Asphaltdecke verlegt werden.
In einem weiteren Testszenario wird der Strom dem Elektro-Lkw von unten zugeführt: In der Nähe der schwedischen Landeshauptstadt Stockholm sind die Schienen auf einer Versuchsstrecke circa zehn Zentimeter tief in die Fahrbahn eingelassen und versorgen den E-Lkw mit Strom. Der nötige Stromabnehmer sitzt am Unterboden des Fahrzeugs. Mit Hilfe von GPS und Magneten ortet er die Spur, um seine Schleifkontakte in die Schlitze zu führen. Der Clou an der Geschichte: Mit diesem System lassen sich sowohl Lkw als auch Pkw ausrüsten, sodass es für verschiedene Fahrzeugarten mit Elektromotor nutzbar ist.