Dicke Luft und lange Staus - das soll in urbanen Zentren auf der ganzen Welt bald der Vergangenheit angehören. Wichtigste Stichworte bei der Stadtplanung der Zukunft: Vernetzung und Elektromobilität.
Das erfahren Sie hier:
- Vor welchen Herausforderungen die urbane Mobilität steht
- Auf welche Mobilitätskonzepte Smart Citys weltweit setzen
- Wie E-Mobilität, Digitalisierung und künstliche Intelligenz Städte lebenswerter machen
- Was Wolfsburg zum Freiluftlabor für autonomes Fahren und innovative Mobilitätsdienste macht
Megacitys weltweit stehen vor Herausforderungen im Verkehrswesen. Dieses gilt mit Abstand als die wichtigste Herausforderung des Bereiches Infrastruktur und ist ein Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt.
Wachsende Herausforderungen für Megacitys
Städte ziehen seit jeher Menschen an. Der Anteil derer, die in urbanen Gebieten
leben, nimmt stetig zu. 2005 kletterte der Wert der städtischen Bevölkerung
erstmals über 50 Prozent. Im Jahr 2050 werden laut UN-Prognose 70 Prozent der
Weltbevölkerung in Städten leben. Noch ist Tokio mit 38 Millionen Menschen die
Stadt mit den meisten Bewohnern. Doch das ist nichts im Vergleich zur geplanten
Megametropole Jing-Jin-Ji - einem Zusammenschluss von
Peking und Tianjin mit der Provinz Hebei. Sie
soll im Jahr 2030 mehr als 130 Millionen Chinesen eine Heimat bieten und eine
Fläche umfassen, die zweimal so groß ist wie der Freistaat Bayern.
Die Herausforderungen der wachsenden Megacitys für Politiker, Stadtplaner,
Architekten und Ingenieure sind immens. Schon heute halten Straßennetze und
öffentliche Verkehrssysteme kaum Schritt mit dieser Entwicklung.
Stadtplanung: Kampf gegen die Dunstglocke
In Asien ist das Dilemma am offensichtlichsten: Während man im 494 Meter hohen
"World Financial Center" in Shanghai mit dem Aufzug in nur einer
Sekunde rund zehn Meter in die Tiefe rauscht, geht es vor der Tür nur im
Schritttempo voran. Auch in Ballungszentren wie Jakarta,
Manila oder Peking erinnern die Straßenzüge zur
Rushhour eher an Parkplätze. Smog gehört hier zum Alltag. In China treibt die
Regierung mit rigiden Gesetzen den Umstieg auf die Elektromobilität voran, um den
Anteil von Elektro- und Hybridfahrzeugen im Land zu erhöhen. Zehntausende
Ladestationen werden landesweit errichtet und Förderprogramme für E-Mobilität
aufgelegt.
Das Problem der vollen Straßen betrifft aber schon lange nicht mehr nur
aufstrebende Nationen, sondern auch Metropolen in Europa und selbst in Deutschland.
Autofahrer in Berlin stehen im Jahr durchschnittlich 154 Stunden
im Stau. Danach folgen München mit 140, Hamburg
mit 139 und Stuttgart mit 108 Stunden. Der Straßenverkehr ist für
rund ein Fünftel des CO2-Ausstoßes auf dem europäischen Kontinent verantwortlich.
Allerorten wird daher darüber diskutiert, wie der urbane Raum umweltfreundlicher
und grüner wird, während die Bewohner
weiter
mobil bleiben.
In diesen 10 deutschen Städten stehen Sie am längsten im Stau:
Je größer die Stadt, desto größer der Zeitverlust pro Verkehrsteilnehmer: In Berlin, München und Hamburg ist die Verkehrsbelastung in Deutschland am höchsten. (Quelle: "INRIX")
Verbotskultur in Paris
Dort, wo früher täglich über 40.000 Autos fuhren, stehen heute Bänke und Liegestühle, die zum Verweilen einladen, Cafés, dazwischen Flächen zum Spielen: Ein 3,3 Kilometer langes Stück an der Seine zwischen dem Place de la Concorde und dem Rathaus von Paris ist seit 2018 autofrei. Die amtierende Bürgermeisterin Anne Hidalgo geht seit Jahren in Frankreichs Hauptstadt rigoros gegen ältere Pkw, Reisebusse, Lastwagen und Motorräder vor. An jedem ersten Sonntag des Monats gilt bereits in weiten Teilen der Stadt ein komplettes Fahrverbot. Neue Pläne sehen sogar vor, Fahrzeuge vollständig aus dem historischen Zentrum zu verbannen. Und ein Verbot von veralteten Diesel-Autos ist schon für 2019 geplant. Abhilfe sollen Shuttlebus-Flotten mit E-Antrieb schaffen und der Ausbau des Radwegenetzes soll außerdem massiv vorangetrieben werden. Andere europäische Metropolen wie Barcelona wollen nachziehen. Doch sind Verbote wirklich die Antwort auf den städtischen Verkehr der Zukunft?
Savoir vivre: In Paris kann man die Seine an vielen Stellen in Ruhe genießen. Die Uferstraßen sind auf einer Länge von 3,3 Kilometer für den Durchgangsverkehr gesperrt.
Schaufenster für die Mobilität der Zukunft
Wenn es um den stadtgerechten Verkehr in der Zukunft geht, richten sich die Blicke
gerne nach Hongkong und Singapur. Die
wirtschaftlichen Musterknaben Asiens gelten auch im Bereich urbaner Mobilität als
Pioniere. Die Menschen leben hier auf engstem Raum und wollen zugleich rund um die
Uhr in Bewegung bleiben. Beide Orte zeichnet ein fast perfekt funktionierender ÖPNV
aus. Zudem verliert das Privatauto zunehmend an Prestige, wobei es für die meisten
Bürger aufgrund horrender Abgaben und Kosten sowieso unerschwinglich ist.
Insbesondere der Inselstaat Singapur mausert sich immer mehr zum
Großlabor für urbane Mobilität: Entwicklungen wie multimodale Mobilitäts-Apps,
selbstfahrende Busse und Taxis, Elektroautos, öffentliche Mini-Shuttles sowie
Lösungen für die Mikromobilität, wie elektrisch-betriebene Tretroller, werden in
Partnerschaft mit Start-ups, Erstausrüstern bzw. OEMs (englisch: original equipment
manufacturer), und Zulieferern aus der ganzen Welt auf die Straße gebracht.
Singapur möchte für seine Bewohner noch attraktiver werden und setzt dabei gezielt auf Elektromobilität.
Smart Citys: Städte vom Reißbrett
Stadtplaner und Architekten weltweit stampfen auch komplett neue Städte aus dem Boden. Masdar City ist so ein Beispiel und startete 2008 im Wüstenstaat Abu Dhabi als erstes ökologische Planstadt der Welt. Vollkommen energieautark und nachhaltig soll sie werden. Sir Norman Foster plante dafür ein Modell nach dem Vorbild historischer, arabischer Siedlungen mit Gassen und kleinen Plätzen. Selbstfahrende Elektrotaxis sollen Privatautos ersetzen, moderne Windtürme zur Kühlung von Gebäuden eingesetzt werden. Der Strombedarf wird über eine Photovoltaikanlage gedeckt.
Bei vergleichbaren Projekten wie der "Smart City Songdo" (Südkorea), der "Belmont Smart City" (USA) von Bill Gates oder dem vom Google geförderten Viertel "Quayside Toronto" (Kanada) prägen Digitalisierung und künstliche Intelligenz die neuen Metropolen, wo die Daten der Menschen mit der Infrastruktur wie Straßen und Häuser vernetzt werden. Ampeln, die mit Fahrzeugen über die Grünphase verhandeln, intelligente Straßen, deren Fahrbahnmarkierungen sich je nach Verkehrslage anpassen - all das wird in den nächsten Jahren erprobt.
Elektromobilität: Die Stadt Wolfsburg als Vorbild
"Elektromobilität und Digitalisierung bedeuten tiefgreifenden Strukturwandel."
Gunnar Kilian
Volkswagen Personalvorstand
Doch nicht jeder Ort ist in der Lage, bei Null anzufangen. So versuchen existierende Ballungsgebiete sich an technologischem Fortschritt zu orientieren, um ihre organisch gewachsenen Strukturen lebenswerter zu machen und den Verkehr nachhaltiger zu gestalten. Mit der Initiative #WolfsburgDigital möchte beispielsweise Volkswagen die Stadt Wolfsburg zur digitalen Modellstadt entwickeln. Dafür wird die Infrastruktur vor Ort umfassend ausgebaut und die Stadt in ein Freiluftlabor für autonomes Fahren und innovative Mobilitätsdienste verwandelt. Wolfsburg soll dabei eine Vorreiterrolle bei der Elektromobilität einnehmen: Bis 2025 wird die Ladeinfrastruktur so massiv ausgebaut, dass problemlos eine Fahrzeugbestandsquote von 50 Prozent Elektroautos versorgt werden kann. Ein Schritt, von dem sich die ein oder andere Metropole mit Sicherheit inspirieren lassen wird.