Die Gemüter der Oldtimer-Gemeinde erhitzen sich oft über Glaubensfragen. Eine der wichtigsten: Darf man das? Also, darf man einem Klassiker den Motor entnehmen und durch einen Elektroantrieb ersetzen? Immer mehr Oldtimer-Anhänger sagen ja. Vor allem, wenn dieser Schritt ein zweites Leben für Retro-Modelle bedeutet, das ihnen wegen eines Motorschadens sonst verwehrt geblieben wäre. Aber auch für mehr Spaß auf der Straße und lokal emissionsfreies Fahren gönnen Besitzer ihren Alten eine Verjüngungskur. Der Umbau von Oldtimern zu Elektroautos ist Trend - und damit inzwischen ein Geschäftsmodell für viele Anbieter von Elektromobilität.
Das erfahren Sie hier:
- Warum der Elektromotor alten Autos neues Leben einhaucht
- Welche Young- und Oldtimer am meisten von einer Elektrisierung profitieren
- Ob Sie Ihren Oldie auch selbst umbauen können
- Was elektrische Oldtimer für die Elektromobilität allgemein leisten
Umbau zum Elektroauto: Eine zweite Chance für Retro-Käfer und Co
Die Bielefelder Auto-Leasing-Firma "electrify" hat sich beispielsweise auf den
Umbau alter Volkswagen spezialisiert, gemeinsam mit dem Inhaber der Firma "Murschel
Electric Cars". Ihr Vorgehen könnte dazu beitragen, etwas Frieden in die
Oldtimer-Fangemeinde zu bringen.
Denn statt einfach bei gut erhaltenen Käfern einen elektrischen Motor einzusetzen,
konstruieren Dennis Murschel und "electrify" völlig neue Retro-Fahrzeuge aus Teilen
von Käfern, die ihre besten Tage hinter sich haben. Anschließend hauchen sie diesen
mit einem Elektromotor Leben ein. Der Elektromotor mit 100 Kilowatt Leistung
beschleunigt das neue E-Auto dann in unter fünf Sekunden auf 100 und bringt es mit
maximal 150 km/h bis zu 150 Kilometer weit.
Mit einem Schnellladegerät ist der Akku in
einer Stunde vollständig aufgeladen; von der Haushaltssteckdose geht es nach sechs
Stunden mit einem vollen Akku weiter. Die zweite Chance für die Alten hat
allerdings ihren Preis: Inklusive Elektromotor kostet ein Retro-Käfer schnell
120.000 Euro oder mehr.
Ein neues Herz für die Klassiker: Oldtimer und Elektroantrieb – das passt zusammen
Der Trend, alte Autos mit elektrischem Antrieb auszustatten, ist nicht nur in Deutschland zu beobachten. Weltweit spezialisieren sich Unternehmen auf die Umrüstung der Oldies zu E-Autos. Ein Beispiel: Auch in den USA baut ein Volkswagen-Fan, ehemals im Silicon-Valley tätig, für seine Kunden Käfer, Bulli und Co in Elektrofahrzeuge um. Seine Firma "Zelectric Motors" gibt es bereits seit 2012 - über mangelnde Nachfrage kann er nicht klagen.
Elektroauto-Umbau: Für wen es sich lohnt und wie hoch die Kosten sind
An die 477.386 Oldtimer mit H-Kennzeichen, die laut Kraftfahrt-Bundesamt 2018 in
Deutschland unterwegs waren, wird wohl kaum ein Besitzer Hand anlegen wollen. Denn
das H steht für Fahrzeuge, die älter als 30 Jahre und weitestgehend im
Originalzustand sind oder fachmännisch restauriert wurden. Damit zählen sie zum
historischen Kulturgut. Diese, meist mit viel Geld und Aufwand erreichte,
Auszeichnung würden Oldtimer mit dem Umbau zum Elektroauto verlieren.
Es gibt jedoch zahlreiche Klassiker, die die Altersgrenze zum H-Kennzeichen noch
nicht erreicht haben, denen aber trotzdem nostalgische Blicke vom Straßenrand
zugeworfen werden - sogenannte Youngtimer. Ältere Wagen werden mit etwa 15
bis 20 Jahren zum Youngtimer. Diese Fahrzeuge sind prädestiniert für einen
Elektro-Umbau, vor allem wenn Motor oder Getriebe sich verabschiedet haben. Das
Gleiche gilt für Oldtimer ab 30 Jahren, in denen bereits Fremdteile verbaut sind
und die darum ohnehin keine Chance mehr auf ein H-Kennzeichen haben.
Liebling der Generation Golf: Das erste Golf Cabrio kam 1979 auf den Markt.
Der Umbau der Fahrzeuge zum Elektroauto kostet schnell um die 10.000 Euro und kann sogar noch teurer werden. Je nach Modell und Aufwand hat ein Fachmann nämlich gut zu tun. Zwischen 50 bis 100 Arbeitsstunden kann es dauern, den alten Motor aus- und einen neuen E-Antrieb einzubauen. Wer lieber direkt selbst Hand anlegen möchte: Einer der Anbieter von Selbst-Bausätzen für den Umbau auf Elektroantrieb, "Lorey Maschinenbau", bietet neben DIY-Kits auch Unterstützung beim Einbau und die Vermittlung von Übernachtungsmöglichkeiten nahe der Werkstatt.
Elektromobilität: Nicht nur Oldtimer gewinnen beim Umstieg
Und wer hat nun wirklich etwas vom Umbau der Retro-Fahrzeuge zu Elektroautos?
Natürlich zuallererst die Besitzer von Old- oder Youngtimern. Sie haben länger
etwas von ihrem Bulli, Käfer oder Porsche 911, vor allem wenn Motor oder Getriebe
sowieso schon den Geist aufgeben haben. Fahrspaß bringt der Elektromotor gleich
mit, und auch
Fahrverbote in Innenstädten sind
mit dem E-Motor kein Thema mehr.
Doch der Umbau eines Oldtimers zum Elektroauto tut nicht nur dem ein oder anderen
alten Auto gut, sondern auch der Entwicklung der Elektromobilität allgemein.
Elektroautos im alten Gewand haben das Zeug, viele Menschen für Elektroantriebe zu
begeistern - und damit die Mobilitätswende für sie noch anfassbarer zu machen.